IV. Sicherheit im Radverkehr
Radfahrer haben im Straßenverkehr ein besonderes Schutzbedürfnis. Bei der Entscheidung für oder gegen die Benutzung des Fahrrads als Verkehrsmittel spielt auch der Sicherheitsaspekt eine Rolle. Im Fahrradklimatest des ADFC 2005 schnitten fast alle sächsischen Städte in der Bewertung des Sicherheitsgefühls unterdurchschnittlich ab. Deshalb muss die Erhöhung der Sicherheit und des Sicherheitsgefühls ein besonderes Ziel der Verkehrspolitik sein. Laut RVK sollen dabei neben der Infrastruktur sowohl Fehlverhalten der Radfahrer als auch der Kraftfahrer als Hauptunfallverursacher im Mittelpunkt stehen.
Eine wichtige Rolle kommt dabei der Polizei zu. Sie muss Verkehrsregeln vermitteln und gegen Fehlverhalten von Rad- und Kraftfahrern vorgehen. Leider scheinen nicht alle Polizisten ausreichend geschult zu sein. Der ADFC Sachsen berichtete kürzlich über eine große Anzahl von Einzelfällen, in denen Polizisten Wissenslücken betreffs der StVO aufwiesen oder Strafanzeigen von Radfahrern wegen Nötigung oder Gefährdung im Straßenverkehr nur unwillig aufgenommen wurden.
Frage 44: Wie viele Radfahrer sind 2005,2006 und 2007 im Straßenverkehr jährlich schwer verletzt oder getötet worden?
In den Jahren 2005 bis 2007 entwickelte sich die Zahl der schwerverletzten und getöteten Radfahrer wie folgt:
- 2005: 1.027 schwerverletzte Radfahrer, 45 getötete Radfahrer
- 2006: 932 schwerverletzte Radfahrer, 32 getötete Radfahrer
Frage 45: Welche Ziele hat die Sächsische Staatsregierung bei der Senkung der Opferzahlen bei Radfahrern im Straßenverkehr (Schwerverletzte und Tote) in 10,20 und 30 Jahren?
Die polizeiliche Verkehrssicherheitsarbeit hat das Ziel, die Zahl der Verkehrsunfalle und deren Folgen größtmöglich zu reduzieren. Dabei wird ein Schwerpunkt der Maßnahmen insbesondere auf die Zurückdrängung der Zahl der Verkehrsunfalle mit Personenschaden und der Zahl der Verunglückten, u. a. auch der Zahl der verunglückten Radfahrer, gelegt.
Eine Prognose zur Senkung der Opferzahlen bei Radfahrern im Straßenverkehr für 10, 20 und 30 Jahre kann insbesondere auf Grund der Tatsache, dass die Entwicklung der Straßenverkehrsunfalle und der Verunglückten U. a. von einer Vielzahl nicht oder nur schwer beeinflussbarer Faktoren (z. B. Witterungsverhältnisse) und von der jeweils aktuellen Bedeutung des Fahrrades als Verkehrsmittel bzw. Sport- und Freizeitgerät abhängt, nicht abgegeben werden.
Frage 46: Was unternimmt die Sächsische Staatsregierung, um diese Ziele zu erreichen?
Die Erhöhung der Verkehrssicherheit stellt im Freistaat Sachsen ein zentrales und dauerhaftes Anliegen dar. Die Durchführung einer kontinuierlichen Verkehrssicherheitsarbeit hat wesentlich dazu beigetragen, die Straßenverkehrssicherheit im Freistaat Sachsen zu erhöhen. Dies zeigt sich insbesondere in der positiven Verkehrsunfallentwicklung der vergangenen Jahre. Die 2006 im Rahmen des Lenkungsausschusses „Verkehrssicherheit in Sachsen" gebildete Arbeitsgruppe Radverkehr unter Leitung des ADFC, wird sich insbesondere der Thematik Sicherheit des Radverkehrs annehmen.
Die Ergebnisse werden in die weitere Verkehrssicherheitsarbeit einfließen.
Ein unverzichtbarer Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit ist die Verkehrserziehung und -aufklärung. Ein Schwerpunkt der Verkehrserziehung in der Schule ist die praktische Radfahrausbildung in den mobilen und stationären Jugendverkehrsschulen der örtlichen Verkehrswachten. Die Durchführung der Radfahrausbildung erfolgt entsprechend den Festlegungen der Gemeinsamen Venvaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und des Sächsischen Staatsministeriums des Innem über den Einsatz von Jugendverkehrsschulen in der schulischen Verkehrserziehung vom 17.03.1999, Az.: 25-6520.14115611 l. Sie dient im besonderen Maße dem frühzeitigen schrittweisen vertraut machen mit dem Verkehrsgeschehen, den Regeln und insbesondere den Gefahren des Straßenverkehrs. Verkehrsschulen (stationäre und mobile Jugendverkehrsschulen) leisten einen besonderen Beitrag zur Verkehrserziehung, da Kinder hier ihr Regel- und Verkehrswissen realitätsnah einüben können, ohne den tatsächlichen Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt zu sein. Dem Einüben automatisierter Verhaltensweisen wird ein besonderes Augenmerk geschenkt, da Kinder oftmals nicht verunglücken, weil sie die Verkehrsregeln nicht kennen, sondern weil sie den komplexen Anforderungen des Straßenverkehrs nicht gewachsen sind. Nicht zuletzt wird sich die frühzeitige Anerziehung einer verantwortungsvollen Verkehrsteilnahme positiv auf das spätere Verhalten als nichtmotorisierter und motorisierter Verkehrsteilnehmer auswirken.
Des Weiteren ist die Verkehrserziehung Bestandteil des Lehrplanes für die Grundschule (Sachunterricht). Neben der theoretischen Ausbildung in allen Klassenstufen umfasst sie auch die praktische Radfahrausbildung in der 3. und 4. Klassenstufe. Um einen möglichst qualifizierten Verkehrsunterricht zu gewährleisten, soll an jeder Schule des Freistaates Sachsen ein Lehrer in Funktion eines Obmannes die Verkehrserziehung betreuen.
Nicht zuletzt diesen Anstrengungen in der Verkehrserziehung ist es zu verdanken, dass im Jahr 2007 erstmals kein Kind als Radfahrer tödlich verunglückte. Im Jahr 1995 wurden neun Kinder als Radfahrer getötet, im Jahr 200 1 immerhin noch fünf.
Darüber hinaus wird im Rahmen der allgemeinen Verkehrsübenvachung dem Fahrradverkehr eine besondere Bedeutung beigemessen. Die Überwachung des Fahrradverkehrs, U. a. hinsichtlich der Missachtung von Verkehrsregelungen, des Fahrens ohne Beleuchtung, der unangemessenen Geschwindigkeit bei der Benutzung von Mischverkehrsflächen (kombinierte Rad-/Gehwege) sowie des Radfahrens in Fußgängerbereichen, soll die Radfahrer zu ihrer eigenen und zur Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer dazu anhalten, die verkehrsrechtlichen Normen zu beachten und zur Entwicklung eines entsprechenden Risikobewusstseins beitragen.
Die Thematik „nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer" findet außerdem im Rahmen der Novellierung der konzeptionellen Verkehrssicherheitsarbeit Berücksichtigung. Bei der Erarbeitung einer entsprechenden Konzeption wird sich die Polizeidirektion Oberes Elbtal-Osterzgebirge U. a. mit dem Thema „Radverkehr" befassen.
Frage 47: Verfolgt die Sächsische Staatsregierung die Einrichtung eines Verkehrssicherheitsprogramms, welches dem langfristigen Ziel verpflichtet ist, dass kein Mensch mehr durch Verkehrseinwirkungen stirbt oder verletzt wird (Radverkehrskonzeption, S. 18)?
Das Verkehrssicherheitsprogramm des Freistaates Sachsen wird gegenwärtig fortgeschrieben.
Die Präventionsphilosophie „Vision Zero" wird darin als Basis für die Verkehrssicherheitsarbeit in allen Bereichen zu Grunde gelegt.
Die Ergebnisse der Arbeitsgnippe Radverkehr des Lenkungsausschusses „Verkehrssicherheit in Sachsen" werden in das Verkehrssicherheitsprogramm einfließen.
Frage 48: Wenn ja, wie sieht der Zeit- und Finanzierungsplan dieses Programms aus?
Durch Bündelung der vielen Initiativen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit soll das Ziel der Europäischen Union, Halbierung der Verkehrstotenzahl von 2000 bis 20 10, im Freistaat Sachsen erreicht werden.
Sachsen ist dabei auf einem guten Weg. Der seit 1995 kontinuierliche Rückgang der Zahl getöteter Verkehrsteilnehmer hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Im Jahr 2007 starben 236 Personen bei Straßenverkehrsunfallen. Das ist ein Rückgang von 46,s % gegenüber 2000.
Frage 49: Inwieweit ist die Mobilitätserziehung Bestandteil aktueller sächsischer Lehrpläne weiterführender Schulen?
Zur sachlich richtigen Beantwortung der Frage wird unterstellt, dass mit „Mobilitätserziehung" der Begriff „Verkehrserziehungb' gemeint ist.
In den aktuellen sächsischen Lehrplänen der weiterführenden Schulen wird Verkehrserziehung im Rahmen des fächerübergreifenden Arbeitens und insbesondere im Rahmen des facherverbindenden Unterrichts vermittelt. Dabei ist es Aufgabe jeder Schule, eine Konzeption zur Realisierung des facherverbindenden Unterrichts zu entwickeln.
Bezugspunkte für die Themenfindung sind Perspektiven wie „Raum und Zeit", „Sprache und Denken", „Individualität und Sozialität", „Natur und Kultur" und thematische Bereiche wie „Verkehr", „Umweltu, „Gesundheit" etc. Auf dieser Grundlage werden Ziele, Inhalte und geeignete Organisationsformen für die Durchführung bestimmt. Fächerverbindender Unterricht soll pro Schuljahr mindestens im Umfang von zwei Wochen statt finden.
Frage 50: Was hat die Sächsische Staatsregierung bisher unternommen, um ihre in der Radverkehrskonzeption festgelegten Maßnahmen umzusetzen, die das Fehlverhalten der Radfahrer reduzieren sollen (Radverkehrskonzeption, S. 189?
Es wird auf die Antwort zu Frage 46 verwiesen.
Frage 51: Was hat die Sächsische Staatsregierung bisher unternommen, um ihre in der Radverkehrskonzeption festgelegten Maßnahmen umzusetzen, die das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reduzieren sollen (Radverkehrskonzeption, S 18)?
Sowohl durch repressive Maßnahmen, wie die konsequente Ahndung festgestellter Verkehrsordnungswidrigkeiten, als auch durch Prävention, insbesondere durch intensive und zielgruppenorientierte Verkehrserziehung und -aufklärung, sollen die Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der verkehrsrechtlichen Normen angehalten und ein entsprechendes Risikobewusstsein entwickelt werden. Je höher für Verkehrsteilnehmer das subjektive Entdeckungsrisiko auf Grund zeitlich und örtlich unkalkulierbarer Kontrollen ist, umso größer ist ihre Bereitschaft, Bestimmungen zu beachten.
Die verstärkte erkennbare Überwachung bestimmter Zielgruppen führt auch zu einer Verhaltensänderung anderer Verkehrsteilnehmer. Lokale polizeiliche Verkehrsmaßnahmen wirken sich auf angrenzende und benachbarte Gebiete positiv aus, weil auch dort insgesamt vorsichtiger gefahren wird und weniger Unfalle passieren.
Für Kraftfahrer ist der Themenbereich Radfahrer ein wichtiger Ausbildungsschwerpunkt in der Fahrschüler-Ausbildungsordnung sowie Prüfungsstoff bei der abzulegenden theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung.
Nach 8 2 Abs. 5 Nm. 1 und 2 Straßenverkehrsgesetz ist nur derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt, der ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat und mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist.
Frage 52: Welche Rolle misst die Sächsische Staatsregierung dem Einsatz von Polizeistreifen auf dem Fahrrad bei?
Dem Einsatz von Polizeistreifen auf dem Fahrrad steht die Sächsische Staatsregierung grundsätzlich positiv gegenüber. Insbesondere in den innerstädtischen Bereichen wäre der Einsatz entsprechender Polizeistreifen eine effektive Ergänzung vorhandener Einsatztechnik. Der direkte Kontakt Polizei - Bürger könnte eine Erhöhung des subjektiven Sicherheitsempfindens der Bevölkerung bewirken.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Polizeistreifen auf Fahrrädern wird derzeit durch die Polizeidirektion Dresden eine Konzeption zur Einrichtung einer Polizeifahrradstaffel erarbeitet. Die Erfahrungen und Erkenntnisse zum Einsatz der Fahrradstaffel sind nach einem mittelfristigen Zeitraum zu evaluieren. Entsprechende Ergebnisse werden im Jahr 20 1 1 erwartet.
Frage 53: Über wie viele Polizeifahrräder für den Streifendienst verfügt die Sächsische Polizei?
Die sächsische Polizei verfügt derzeit über 100 Fahrräder. Davon befinden sich neun Fahrräder in den Polizeirevieren im Einsatz.
Die übrigen Fahrräder werden zum einen in den Lehreinrichtungen der sächsischen Polizei im Rahmen der Aus- und Fortbildung, zum anderen in den Inspektionen Präventiodzentrale Dienste der Polizeidirektionen im Rahmen der Radfahrausbildung eingesetzt.
Frage 54: Ist die Anschaffung weiterer Polizeifahrräder geplant?
Die Anschaffung weiterer Fahrräder ist geplant.
Frage 55: Welche Zielstellung verfolgt die Staatsregierung betreffs des Anteils der fahrradfahrenden Polizeistreifen im Polizeidienst, bis wann sollen die Ziele erreicht werden?
Es werden durch die Staatsregierung keine Anteile zu Fahrrad fahrenden Polizeistreifen im Polizeidienst festgelegt.
Frage 56: Wie steht die Sächsische Staatsregierung zu einer Weiterentwicklung der Unfallerfassungsbögen, mit dem Ziel, genauere Aussagen über Radfahrunfälle zu gewinnen?
Eine Weiterentwicklung von Unfallerfassungsbögen hinsichtlich einer differenzierteren Erfassung von Radfahrunfallen ist nicht vorgesehen.
Es wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die Verkehrsunfallkommissionen, die sich aus Vertretern der Polizei, den Straßenverkehrsbehörden und den Straßenbaubehörden zusammensetzen, die Aufgabe haben, Unfallhäufungsstellen - U. a. auch im Zusammenhang mit Radfahrunfallen - zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Entschärfung bzw. Beseitigung der Unfallschwerpunkte festzulegen. Dabei ist die Anwendung des Programms „Elektronische Unfalltypensteclckarte (EUSKa)", das durch die automatisierte Auswertung von Verkehrsunfällen das Erkennen territorialer Schwerpunkte ermöglicht, ein unverzichtbarer Bestandteil der Arbeit der Verkehrsunfallkornrnissionen.
Frage 57: Hat die sächsische Polizei die technische Möglichkeit, Überholabstände zwischen Kfz und Fahrrädern zu messen?
Die Polizei verfügt nicht über die technische Möglichkeit, die Überholabstände zwischen Kfz und Fahrrädern zu messen.
Frage 58: Wenn ja, bei welchem Anteil der Polizeieinsätze (insbesondere Verkehrskontrollen) wird diese Technik genutzt?
Es wird auf die Antwort zu Frage 57 verwiesen.
Frage 59: Wie sind die Erfahrungen der Polizei bei der Messung von Überholabständen?
Es wird auf die Antwort zu Frage 57 verwiesen.
Frage 60: Auf welche Weise gedenkt das Innenministerium, alle Polizeibeamten in Rechtsfragen rund um den Radverkehr auf den aktuellen Stand zu bringen und die Polizei für die Probleme der Radfahrer zu sensibilisieren?
Im Rahmen regelmäßig stattfindender Fortbildungsveranstaltungen werden die Polizeibeamten U. a. über aktuelle Gesetzesänderungen und Rechtsprechungen im Verkehrsrecht informiert (siehe Anlage 5).
Die mit der Überwachung des Straßenverkehrs befassten Polizeibeamten sind aus Sicht des Sächsischen Staatsministeriums des Innern hinreichend fur die Thematik „Radfahreru sensibilisiert.
Frage 61: Gibt es in Sachsen Fortbildungsmaßnahmen zum Thema Verkehrsrecht für polizisten?
Es wird auf die Antwort zu Frage 60 verwiesen.
Frage 62: Gibt es bei der sächsischen Polizei Fachstellen für den Radverkehr?
Die Überwachung des Fahrradverkehrs ist Bestandteil polizeilicher Verkehrsmaßnahmen und somit allgemeine Aufgabe des Polizeivollzugsdienstes.
Frage 63: Wenn ja, welche besonderen Qualifikationen und Kompetenzen müssen Mitarbeiter dieser Fachstellen aufweisen?
Es wird auf die Antwort zu Frage 62 verwiesen.
Frage 64: Zieht die sächsische Polizei für Stellungnahmen zu straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen objektive (bspw. unfallstatistische) Grundlagen heran oder genügen subjektive Einschätzungen?
Die Stellungnahmen der Polizei im Zusammenhang mit der Anhörung zu straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen erfolgen stets auf objektiven Grundlagen. Bei der Erarbeitung der Stellungnahmen finden insbesondere die Ergebnisse der örtlichen Unfalluntersuchungen Berücksichtigung. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 56 verwiesen.