Staatsregierung äußert sich zum Radverkehr
Die Fraktionen des sächsischen Landtages haben die Möglichkeit, in einer großen Anfrage umfassende Auskunft von der Staatsregierung zu bekommen. Dadurch sollen die Abgeordneten die Möglichkeit erhalten, die Regierung zu kontrollieren und umfassend zu einem Thema informiert zu werden.BÜNDNIS90/Die Grünen haben diese Chance genutzt, um die Staatsregierung zum Stand des Radverkehrs im Freistaat zu befragen.
Die Antwort auf die 200 Fragen der Abgeordneten ist ernüchternd. Sie offenbart große Unkenntnis der Staatsregierung in einem ihrer Aufgabenbereiche. Auf ein Viertel der Fragen hatte die Regierung keine Antwort. Der Freistaat erhebt kaum Zahlen und kann deswegen auch keine Handlungsnotwendigkeiten erkennen. So weiß der Minister nicht, wie viel in Sachsen Fahrrad gefahren wird, an welchen Bahnhöfen Abstellanlagen und treppenfreie Zugänge fehlen. Er weiß nicht über die Fahrradmitnahme in Zügen Bescheid, kennt nicht den Zustand seiner Fernradwege, weiß nicht, wie viele Touristen Sachsen per Rad erkunden oder wie viele es werden könnten.
Keine Ziele – kein Interesse
Ebensowenig setzt sich die Staatsregierung verbindliche Ziele, wie einen zu erreichenden Anteil des Radverkehrs, Verringerung der Unfallzahlen oder Anzahl der Eröffnung von touristischen Fernradwegen. Wer keine Ziele hat, hat kein Interesse. Die Potentiale des Fahrrads für den Freistaat und seine Bürger bleiben von der Regierung weitgehend unerkannt.
Es gibt keine Angestellten im Verkehrsministerium, die sich überwiegend mit Radverkehr beschäftigen. Das erklärt, warum das SMWA nirgends als Treiber in Sachen Radverkehr wahrgenommen wird. Der Minister findet das in Ordnung und will daran auch nichts ändern.
Radfahren in Sachsen ist doppelt so gefährlich wie in anderen Bundesländern. Dem Minister fallen dazu nur Allgemeinplätze ein. So werden pauschal die Radfahrer dafür verantwortlich gemacht, die sich angeblich nicht an Regeln halten. Offensichtlich schafft es die Regierung nicht, in die Unfallzahlen zu schauen, diese sprechen eine andere Sprache. An den meisten Unfällen zwischen Rad und Autofahrern sind Radfahrer unschuldig. Hier versucht der Minister Untätigkeit und Unwissen mit platter Dreistigkeit zu übertünchen. Derweil hat die Staatsregierung viele Zügel in der Hand, um an der Situation etwas zu ändern. Themen wie Regelgeschwindigkeit 30 in Städten sind aber ein Tabu.
Wenig Geld wird noch mal gekürzt
Stattdessen werden Finanzmittel für den Radverkehr vom Freistaat von 6 auf 4 Millionen je Jahr gestrichen. Jahrelang wurden die vom Bund zur Verfügung gestellten Gelder für den Radverkehr an Bundesstraßen nicht abgerufen. Nur 15% der Staats- und Bundesstraßen haben Radverkehrsanlagen, in Bayern sind es 40%. Die Pflicht, in Mietshäusern Abstellplätze zu schaffen, hat die Staatsregierung stark eingeschränkt. Programme mit dem Ziel der Erhöhung der Sicherheit von Radfahrern sind unbekannt. Tempolimits und Verkehrskontrollen sind selten. Wenn Radfahrer kontrolliert werden, dann meistens Rotlichtverstöße und fehlende Fahrradbeleuchtung, zwei Sachverhalte, die laut Statistik als Unfallursache unbedeutend sind.
Trend völlig verschlafen
Offensichtlich sind die Bürger viel weiter als die regierende CDU und FDP. In manchen Städten werden 20% der Wege mit Rad zurückgelegt, die Steigerungsraten sind enorm. Immer mehr Sachsen sind multimodal unterwegs, nutzen also verschiedene Verkehrsmittel für ihre Wege, auch das Rad. Der Radtourismus hat mehrstellige Wachstumsraten. Elektrische Fahrräder machen Menschen mobil, die vorher kaum Fahrrad gefahren sind.
Für die Staatsregierung scheint der Radverkehr dagegen keine Rolle zu spielen. Für sie liegt das Heil immer noch im Auto, obwohl dieses immer teurer wird und für viele Sachsen keine große Rolle mehr spielt. Selten hat eine Regierung so bloßgelegt, dass sie einen Trend komplett verschläft. Liebe Regierung bedenkt, Radfahrer sind auch Wähler!
- Antwort Staatsregierung auf die Große Anfrage der Grünen (Drucksache 5/9769) (pdf-scan 7,7MB)
- Kurz-Fazit des Antragstellers (pdf 0,2 MB)