Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) plant zwischen Annaberg-Buchholz und der Querung des Zschopautals den Ausbau der Bundesstraße B 95. Als wichtige Verbindungsstrecke von Annaberg nach Norden wäre die Straße auch interessant für Pendler, die aus der Umgebung mit dem Rad nach Annaberg fahren sowie für Radtouristen, die von Chemnitz ins Erzgebirge unterwegs sind. Deshalb setzt sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) schon seit mehreren Jahren für einen durchgängigen Radweg an der Bundesstraße ein. Doch ein solcher Radweg ist nicht geplant.
"Die Planung der B 95 nördlich von Annaberg bietet die Chance, dass Annaberg-Buchholz per Rad besser erreichbar wird. Doch Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig scheint diese Chance nicht ergreifen zu wollen. Der Fahrradboom der letzten Jahre ist an dieser veralteten Planung offensichtlich völlig vorbeigegangen. Gerade auch außerhalb der Großstädte braucht Sachsen Alternativen zum Auto. Und das kann auf einer so wichtigen Bundesstraße wie der B 95 nur mit einem Radweg funktionieren." sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen.
Eine Stellungnahme des ADFC für einen Radweg an der B 95 wurde vom LASuV rundheraus zurückgewiesen. Die Plauener Niederlassung von Sachsens Straßenbaubehörde führt die angeblich zu starke Steigung der B 95 als Argument ins Feld, dass die Straße für Radfahrer uninteressant sei. "Doch im Vergleich zu vielen anderen Straßen im Umfeld zeichnet sich gerade die B 95 durch ein vergleichsweise gemäßigtes Streckenprofil aus. Durch die neue Brücke über die Zschopau werden viele Höhenmeter eingespart." weiß der ADFC-Geschäftsführer. Auch alternative parallel verlaufende Routen für den Radverkehr konnten im Planungsprozess keine gefunden werden.
"Immer mehr Leute wollen Radfahren. Damit das geht, braucht Sachsen endlich ein funktionierendes Radwegenetz, nicht nur im Flachland. Mein Eindruck ist, dass viele Leute nicht wegen ein paar Steigungen, sondern wegen fehlender Radwege Angst beim Radfahren haben oder ganz darauf verzichten. Aber auf einer Straße wie der B 95 wirft sich natürlich keiner freiwillig zwischen Pkw und Laster." sagt Krause. Der starke Zuwachs bei elektrisch unterstützten Fahrrädern macht die Mobilität per Rad gerade auch in bergigen Regionen immer interessanter. Allein im letzten Jahr gingen deutschlandweit über 2 Mio. E-Bikes über die Ladentheke. Doch diese Entwicklungen scheinen in den veralteten Planungen zur B 95 überhaupt keine Rolle gespielt zu haben.
Hintergrund
Aktuell verfügen nur 28 % der sächsischen Bundesstraßen über einen Radweg, während dieser Wert bundesweit bei über 40 % liegt. Seit Jahren stockt der Ausbau des Radwegenetzes an Bundesstraßen in Sachsen. Von den 250 km Radwegen an Bundesstraßen, die Sachsens Regierung bis 2025 bauen will, hat Verkehrsminister Martin Dulig seit 2015 nur knapp 60 geschafft. Im letzen Jahr sind sogar nur 2 km Radwege an Bundesstraßen dem Verkehr übergeben worden. Als der sächsische Verkehrsminister im August 2019 die Neufassung der Sächsischen Radverkehrskonzeption vor der Landtagswahl vorstellte, war dies noch mit dem Versprechen verbunden, dass beim Neu- und Ausbau von Bundes- und Staatsstraßen stets Radwege von Beginn an mit angelegt werden, wenn geeignete sonstige Führungen fehlen (s. Pressemitteilung des SMWA unten). Der ADFC befürchtet, dass die Ziele der Sächsischen Radverkehrskonzeption angesichts dieses Zwischenstands immer mehr in sich zusammenfallen.
Dem gegenüber steht ein Boom des Radverkehrs: 5 Mio. Fahrräder wurden allein 2020 verkauft, davon 2 Mio. mit elektrischer Unterstützung. Auch die Bundesregierung will beim Bau von Radwegen an Bundesstraßen an Tempo zulegen. Mit der Neufassung der "Grundsätze für Bau und Finanzierung von Radwegen an Bundesstraßen in der Baulast des Bundes" muss nun bei Baumaßnahmen an Bundesstraßen eine geeignete Führung des Radverkehrs gefunden werden. Diese neue Regelung scheint in Sachsen bisher noch nicht angekommen zu sein.
Auch Sachsens schwarz-rot-grüne Regierung hat sich Ende 2019 noch einmal ausdrücklich vorgenommen, Bedingungen zu schaffen, damit sich der Radverkehr bis 2025 verdoppelt. Bisher sieht es aber nicht so aus, dass der Radwegebau an Bundesstraßen deshalb nun Fahrt aufnehmen würde. Weder hat die Koalition alte Verkehrsplanungen ohne Radweg auf den Prüfstand gestellt, noch wurde mit dem Beschluss des Landeshaushalts im Mai 2021 das Personal beim LASuV in dem Maß aufgestockt, wie es nach dem regierungsinternem Konzept "LASuV 2021" eigentlich notwendig wäre. Fehlende Planungskapazitäten der Landesbehörde sind daher eine Hauptursache, dass der Radwegeausbau in Sachsen nicht voran kommt.
Dabei finanziert den Radwegebau an Bundesstraßen die Bundesregierung zu 100%. Die Länder müssen lediglich die notwendigen Planungen durchführen und sind für den Bau zuständig. Doch offensichtlich scheitert der Fortschritt am Personalmangel im LASuV und seinen Niederlassungen. Aus diesem Grund verfallen viele Millionen für Radwege an Bundesstraßen, die dem Freistaat eigentlich zustehen.
Anlagen
Stellungnahme des ADFC Sachsen zur Planung B 95 nördlich Annaberg: https://adfc-sachsen.de/files/stellungnahmen/2017-07-17-B95-Stellungnahme.pdf
Reaktion auf Stellungnahme des ADFC, LASuV NL Plauen: https://sn.adfc-clouds.de/index.php/s/ZFwzpsPayajNSpB
Grundsätze für Bau und Finanzierung von Radwegen an Bundesstraßen in der Baulast des Bundes: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/StV/grundsaetze-bau-finanzierung-radwege-bundesstrassen-baulast-des-bundes
Pressemitteilung des SMWA zur Veröffentlichung der Radverkehrskonzeption, August 2019: https://medienservice.sachsen.de/medien/news/227931