Unfallentwicklung stagniert / Radfahrer über 65 Jahre überproportional betroffen / ADFC: Sachsen muss Verkehrssicherheit bei der Verkehrsplanung ernster nehmen
Zum Beginn der Woche stellte das Sächsische Staatsministerium des Innern die Daten zur Unfallentwicklung 2016 in Sachsen vor. Mit 3.971 Fällen waren Radfahrer 2016 ähnlich oft an Unfällen mit Personenschäden beteiligt wie die Jahre davor. Bei den im Straßenverkehr getöteten Radfahrern stieg die Zahl von 17 im Jahr 2015 auf 26 und damit wieder auf das Level der Vorjahre. "Die Zahlen legen nahe, dass der Rückgang der getöteten Radfahrer in Sachsen 2015 offenbar nur ein statistischer Ausreißer war. Jeder im Straßenverkehr getötete Mensch ist einer zu viel." sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen. "Unser Ziel muss es sein, dass möglichst kein Mensch im Straßenverkehr ums Leben kommt. Berlin hat diese 'Vision Zero' jetzt zum Ziel der städtischen Verkehrsplanung erklärt."
Genau das fordert der ADFC auch von der sächsischen Staatsregierung. "Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD 2014 miteinander vereinbart, dass sie mehr für die Verkehrssicherheit tun wollen. Davon ist bisher nichts zu erkennen." Die Gesamtzahl der Verkehrsunfälle in Sachsen hat sich auf ca. 110.000 eingependelt, jedes Jahr kommen zwischen 160 und 200 Menschen auf Sachsens Straßen ums Leben, darunter Jahr für Jahr etwa 25 Radfahrer. "Was die Verkehrssicherheit angeht, treten wir in Sachsen auf der Stelle." ist Krause verärgert.
"Bei jedem Unfall gibt es natürlich ein konkretes Versagen einzelner Verkehrsteilnehmer. Zu wenig Beachtung finden aber bisher die zahlreichen baulichen Mängel, die Unfälle mit Radfahrern begünstigen." ist der ADFC-Geschäftsführer Krause überzeugt. So ist die Wegeführung für Radfahrer oft uneindeutig oder endet abrupt. Besonders Kinder und ältere Radfahrer sind durch unklare Vorfahrtssituationen oft überfordert. 15 der 26 im Straßenverkehr getöteten Radfahrer waren älter als 65 Jahre. Das steht in keinem Verhältnis zur Fahrleistung dieser Altersgruppe und deutet auf Mängel der Infrastruktur hin, die große Teile der Bevölkerung überfordern. "Wir brauchen eine stärkere Aufmerksamkeit auf dieses Thema in der Verkehrsplanung und eine selbsterklärende Infrastruktur, die auch für kleine Kinder, Menschen mit körperlichen Einschränkungen sowie Menschen über 65 Jahre leicht und sicher benutzbar ist." so Konrad Krause.
Minister Dulig unternehme zwar gewisse Anstrengungen, den Radverkehr im Land voran zu bringen. Doch kommen die sächsischen Behörden mit dem Bau sicherer Rad-Infrastruktur kaum schneller voran als in den Jahren zuvor. "Der Minister muss endlich das deutsche Regelwerk der Radverkehrsplanung, die 'Empfehlungen für Radverkehrsanlagen', zur verbindlichen Planungsgrundlage in Sachsen machen." sagt Krause. Dagegen leiste das Ministerium aber starken Widerstand. Auch bei den Straßenverkehrsbehörden, die beispielsweise Verkehrszeichen anordnen und Geschwindigkeitsbegrenzungen festlegen, gibt es von Ort zu Ort erhebliche Differenzen in der Auslegung der StVO, mit teils haarsträubenden Ergebnissen. "Es sind zwar bestimmte Enwicklungen in die richtige Richtung zu erkennen, aber gerade beim Thema Verkehrssicherheit und der Planungsstandards kann man manchmal schon den Eindruck bekommen, dass unterhalb des Ministers manches völlig ungeordnet weiterläuft wie zu Zeiten von Sven Morlok." sagt Krause.
Auch bei der Vergabe von Fördermitteln an Kommunen spiele die Verkehrssicherheit und die Wegequalität in Sachsen bisher eine zu geringe Rolle, findet der ADFC-Geschäftsführer. Für die Instandsetzung großer Straßen erhalten die Kommunen ihre Mittel vom Freistaat inzwischen pauschal, also ohne eine Prüfung, ob der Anbau von Radwegen erforderlich ist oder ob es Probleme mit der Verkehrssicherheit gibt. "Diese pauschale Förderpraxis führt dazu, dass die Infrastruktur an vielen Stellen nicht sicherer wird und mit viel Geld sogar neue Unfallschwerpunkte gebaut werden." Ein prominentes Beispiel für ein solches gefördertes Projekt ist die Kreuzung Bautzner / Rothenburger Straße in Dresden, wo im Februar 2016 eine Radfahrerin von einem Betonmischer zusammenstieß und zu Tode kam. ADFC-Aktive sind der Überzeugung, dass auch die unsichere Verkehrsführung der 2013 neu gebauten Kreuzung eine Ursache für den Unfall ist.
Statistische Daten zum Radverkehr (Daten: Statistisches Landesamt Sachsen)Verkehrsunfälle in Sachsen 1999-2016
Getötete Radfahrer 1995-2016