Viele Verkehrsunfälle mit Radfahrenden werden von dem sogenannten „ruhenden Verkehr“ verursacht. Dies zeigt eine neue bundesweite Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Fast jeder fünfte Verkehrsunfall mit Fahrradfahrern oder Fußgängern steht im Zusammenhang zum PKW-Parken. Bisher wird oft die Gefahr unterschätzt, die von parkenden Autos für Fahrradfahrende ausgeht.
Aus einer Stichprobe von 27.659 innerörtlichen Fußgänger- und Radfahrerunfällen mit Personenschaden wurden in einer Unfallanalyse Unfälle identifiziert, die im Zusammenhang mit dem Parken standen. Dabei stellte sich heraus, dass 18% aller Unfälle unter Beteiligung parkender Autos passieren. Am häufigsten ereignen sich Unfälle beim Ein- oder Aussteigen, sogenanntes „Dooring“: Rund die Hälfte aller Kollisionen zwischen geparktem Auto und Fahrrad entstehen auf diese Weise. Mit einem einfachen Schulterblick und dem Öffnen der Autotür mit der rechten Hand, dem sogenannten „Holländischen Griff“, könnte diese Gefahrenquelle jedoch umgangen werden.
Darüber hinaus ist eine Infrastruktur problematisch, wenn sie Radfahrende in die unmittelbare Nähe von öffnenden Autotüren zwingt. Um die Sicherheit der fahrradfahrenden Verkehrsteilnehmer nachhaltig gewährleisten zu können, empfiehlt die UDV die Einführung von Sicherheitstrennstreifen von mindestens 75 cm zwischen Radwegen und Parkbuchten, wenn der Radverkehr auf der Fahrbahn geführt wird. So können ausreichend breite Seitenräume geschaffen und Unfälle beim Ein- und Aussteigen vermieden werden.
Oft lassen es die Platzverhältnisse jedoch nicht zu, dass neben der Fahrbahn, dem Gehweg und einem Radweg auch ein ausreichender Sicherheitsabstand gewährleistet werden kann. „Wenn bei neu angelegten Radstreifen auf der Fahrbahn nicht genügend Platz für einen Sicherheitsstreifen bleibt, dürfen dort eben keine Parkplätze sein“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, im Interview mit dem Spiegel.
Eine nennenswerte Senkung der Unfallzahlen kann nur erreicht werden, wenn eine risikoarme Infrastruktur geplant wird. Wenn für alle Verkehrsteilnehmende Sicherheit garantiert werden soll, müssen bei mangelnden Platzverhältnissen Abstriche bei den Parkangeboten gemacht werden, um eine sichere Radinfrastruktur zu schaffen.
Parkende Autos sind auch eine indirekte Unfallursache
Unfälle, die im indirekten Zusammenhang zum Parken stehen, ereignen sich ebenfalls häufig. Viele Unfälle entstehen, weil parkende Autos die Sicht an Kreuzungen und Grundstückszufahren verdecken. Aber auch abseits dieser Knotenpunkte verringern parkende Autos die Einsehbarkeit und gefährden so insbesondere Fußgänger und Kinder.
Die UDV empfiehlt daher eine Ausweitung des §12 in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Dieser sieht ein Parkverbot über fünf Meter hinter Kreuzungen und Einmündungen vor. Wenn in Fahrtrichtung rechts neben der Fahrbahn ein Radweg ist, dann ist das Parken vor dem Knotenpunkt seit dem April 2020 bis zu je 8 Metern verboten. Um ausreichende Sichtfelder für alle Verkehrsteilnehmenden zu schaffen, empfiehlt die UDV allerdings das Parkverbot auf bis zu 20 Metern vor und 15 Metern nach Kreuzungen auszuweiten.
Begrüßenswert ist sicherlich auch das durch die StVO-Novelle neu eigeführte Halteverbot auf Schutzstreifen. Bisher war temporäres Halten auf den Radwegen bis zu drei Minuten lang erlaubt.
Hintergrund:
Im 2020 stellten die Unfallforscher der Versicherer (UDV) eine Studie in Münster vor, welche das Unfallrisiko für zu Fuß Gehende und Radfahrende ermittelt, das durch Parken entsteht.
In der umfangreichen Studie wurden verschiedene Methodiken genutzt. Unter anderem umfasst sie eine Befragung von 46 Ordnungsämtern und Verkehrsbehörden in verschiedenen deutschen Städten. Auch analysierte sie 27.659 innerörtliche Fußgänger- und Radfahrerunfällen mit Personenschaden und führte eine Detailanalyse von 238 Unfälle durch. Darüber hinaus führte die UDV auch lokale Befragungen von Fußgängern und Radfahrenden durch und untersuchte so ihr Sicherheitsempfinden und Sicherheitsverhalten.