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reflektor 2017 2Diese Woche ist die neue Ausgabe des Reflektor Magazins erschienen. Im Schwerpunktthema geht es um die Förderung des Radverkehrs in Sachsen. Wir haben mit Rolf Leonhardt über den aktuellen Stand der sächsischen Radverkehrspolitik gesprochen, der im ADFC-Landesvorstand für Verkehrspolitik zuständig ist.

Der Minister ist verantwortlich

Interivew mit Rolf Leonhardt, stellvertretender Vorsitzender des ADFC Sachsen.

Reflektor Magazin: Sachsen schneidet mit Platz 12 von 13 deutschen Flächenländern beim Fahrradklima-Test eher mittelmäßig ab. Ist diese Stagnation eine Überraschung?

Rolf Leonhardt: Nicht wirklich, denn es hat sich in letzter Zeit relativ wenig getan. Und was noch viel wichtiger ist: Es ist auch keine richtige Aussicht da, dass sich etwas entscheidendes tun wird. Da waren die Hoffnungen zum Beginn der Legislaturperiode schon ganz andere, als das, was jetzt aktuell läuft.

R: Nun hört man von Seiten des Landes immer mal wieder „die Kommunen müssten einfach mal anfangen, Fördermittel beantragen und dann loslegen.“ Ist Radverkehrsförderung allein eine Sache der Kommunen? Hängt die im Fahrradklima-Test zu erkennende Stagnation allein an den Kommunen?

RL: Natürlich spielen die Strukturen in den Kommunen eine große Rolle, das ist völlig klar. Aber wir bekommen aus den Kommunen gerade jetzt positive Signale. Leipzig ist zum Beispiel schon immer bei Fahrradinfrastruktur vorneweg gewesen. Es gibt zum Beispiel auch ein klares Bekenntnis des Oberbürgermeisters zum Radverkehr von diesem Sommer. Auch in Dresden wird richtig losgelegt, es werden zum Beispiel neue Stellen geschaffen und die Stadtverwaltung tut dort auch jetzt schon viel. Aber auch in den kleinen Kommunen, ob jetzt Radebeul oder Auerbach im Vogtland, da ist eindeutig zu erkennen, die Kommunen wollen etwas tun. Es hängt aus meiner Sicht derzeit ganz eindeutig am Land. Die Förderstrukturen klappen nicht. Die Prioritätensetzungen beim Radverkehr, die vom Landtag und dem Minister vorgegeben ist, werden nicht umgesetzt vom Ministerium und der Verwaltung.

R: Was könnte die Landesebene da jetzt konkret tun?

RL: Das A und O ist das fehlende Personal. Sachsen ist nach unserem Gefühl das einzige Bundesland, wo gedacht wird, dass man den Radverkehr ohne Personal voranbringen kann. In anderen Bundesländern gibt es längst schon Referate für Nahmobilität, Referate wo sich um den Radverkehr gekümmert wird und auch um den Fußverkehr. Da sieht es in Sachsen ganz schlecht aus. Und wenn man dann ins Detail geht, dann sieht man, dass es in Sachsen nach unserem Wissen zwei Leute gibt, die sich ausschließlich mit Radverkehr beschäftigen. Das ist viel zu wenig im Vergleich mit anderen Bundesländern.

Die andere Seite ist die Frage: Was sollen dann diese Leute machen? Die Richtlinie, nach der die Kommunen gefördert werden ist ganz schlecht formuliert und es stellt sich nach drei Jahren heraus, dass der Alltagsradverkehr so gut wie nicht gefördert wird und wir bekommen zahlreiche Klagen aus Kommunen, dass die Förderung schlecht läuft.

R: Nun hat ja Minister Dulig im Sommer vor dem Landtag eine Fachregierungserklärung abgegeben. Dabei hat er betont, dass beim Radverkehr Nachholbedarf besteht und klar gesagt, dass er sich für den Radverkehr einsetzen möchte und mehr Personal zur Verfügung stellen wird. Alles heiße Luft?

RL: Über solche Aussagen freuen wir uns natürlich, genau wie über die eindeutigen Aussagen im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD, wo für den Radverkehr viel mehr getan werden sollte. Auch der Landtag hat seine Hausaufgaben gemacht, mehr Geld eingestellt und Ziele Formuliert. Trotzdem: Wenn nichts passiert und die Verhältnisse eher schlechter werden auf manchen Gebieten, dann ist schon auch der Minister verantwortlich. Wer dann nun in seinem Ministerium die Dinge hintertreibt, oder ob nur der alte Schlendrian weiterläuft: Das einzuschätzen ist nicht unsere Sache, der Minister ist verantwortlich und muss hier durchgreifen. Von den Personalankündigungen ist letztlich nichts umgesetzt worden. Es wurden in den Landesbauämtern die Stellen stark aufgestockt, es gab fast 10% mehr Personal. Aber für den Radverkehr ist unseres Wissens keine einzige neue Stelle entstanden.

R: Nun hatten wir ja am Anfang schon über die Kommunen gesprochen. Im Koalitionsvertrag haben sich CDU und SPD geeinigt, dass das Land die Kommunen bei der Gründung einer Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte unterstützen will. So etwas gibt es in vielen anderen Bundesländern schon. Wäre das ein wichtiger Schritt?

 

RL: Diese Arbeitsgemeinschaften haben sich in anderen Bundesländern sehr bewährt und wir hatten gerade mit dem ADFC Bayern den Austausch, die das auch noch nicht so sehr lange haben. Und die sagen, dass das der große Durchbruch war für die kommunale Radverkehrsförderung. Denn der Austausch derjenigen, die willig sind und etwas voranbringen wollen, ganz wichtig ist. Deswegen ist das ein ganz wichtiges Instrument. Seit Jahren ist das das Ziel der Staatsregierung, im Koalitionsvertrag wird es nochmal betont. Passiert ist nichts. Woran liegt es? Es ist keiner da, der sich drum kümmert. Das Personal fehlt.

R: Was macht der ADFC auf Landesebene, dass es beim Radverkehr vorangeht und man aus dieser Stagnation herauskommt?

RL: Wir haben lange stillgehalten, das muss man auch mal selbstkritisch zugeben. Denn die Ankündigungen waren gut: Die Finanzen wurden aufgestockt, vom Minister kamen positive Signale, der Koalitionsvertrag ist gut, wir kriegen auch aus den einzelnen Fraktionen des Landtags positive Rückmeldungen zum Radverkehr. Weil aber jetzt im letzten Drittel der Legislaturperiode bisher immer noch nichts passiert ist und auch nicht absehbar ist, dass etwas passiert, drücken wir jetzt auch langsam auf die Tube und kritisieren diesen Stillstand stärker.

Wir führen viele Gespräche mit Akteuren vor Ort, mit Landtagsabgeordneten, mit den Akteuren in den Kommunen, zum Beispiel mit dem Baubürgermeister in Dresden, der Stadtverwaltung in Leipzig, auch mit kleineren Kommunen und versuchen uns eine Übersicht zu schaffen, wo es klemmt. Und überall sind die Probleme die gleichen: Die Förderung funktioniert nicht für den Alltagsradverkehr.

R: Was können denn Akteure vor Ort tun, wenn sie vor Ort etwas für den Radverkehr machen wollen? Gibt es da ausreichend Graswurzel-Initiativen oder ADFC-Aktive, oder ist es ein Problem, dass der ADFC vor allem in den Großstädten Dresden und Leipzig stattfindet?

RL: Wir haben schon den Eindruck, dass es viele Initiativen gibt vor Ort, wo die Probleme wirklich groß sind, wenn zum Beispiel ein Radweg zur Schule fehlt. Gerade gab es eine große Demo bei Mügeln, wo eine neue Straße gebaut worden ist und der Radweg schlichtweg fehlt, der aber wichtig wäre als Schulweg. Diese Graswurzelaktivitäten sind ganz wichtig. Es gibt viele Bürgerinitiativen, die sich vor Ort kümmern und viel erreicht haben und Druck machen. Es gibt natürlich nicht nur in den Großen Städten die ADFC-Ortsgruppen, sondern auch in kleineren Kommunen. Auch die bringen viel voran und sind ganz wichtig. Deswegen freuen wir uns über jeden, der mitmacht. Wir als Landesvorstand können natürlich nicht das ganze Land überblicken. Deswegen ist es wichtig, dass Leute vor Ort Druck machen und sich vernetzen und gerne unterstützen wir dabei.

Die gesamte Ausgabe des Reflektor Magazins Winter 2017/18

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