IM ADFC MITMACHEN, DER STADT AUF DIE FÜSSE TRETEN UND ETWAS BEWIRKEN
Ina Wehner engagiert sich seit 2013 im ADFC Bautzen. Sie steht im engen Kontakt mit der Stadtverwaltung und versucht, das Radfahren in Bautzen sicherer und komfortabler zu machen. Außerdem organisiert sie regelmäßig Radtouren, die gern angenommen werden. Ina Wehner wurde 1960 geboren, ist Bauingenieurin und arbeitet als Brückenprüferin.
Wann bist Du in den ADFC eingetreten?
Ina Wehner: Im Februar 2013 hatte sich der ADFC Bautzen gegründet, es waren damals fünf oder sechs Leute. Vorher gab es nur einen von der Stadt initiierten Verein, der ein paar Touren organisiert hat und bei dem ich auch Mitglied war. Als ich von der ADFC-Gründung in der Zeitung gelesen hatte, bin ich zum nächsten Treffen gegangen, wo ich auch sofort eingetreten bin.
Warum bist Du in den ADFC eingetreten?
Weil ich schon mein Leben lang Rad fahre. Ich habe zur Jugendweihe 1974 mein erstes richtiges Fahrrad bekommen, ein Mifa-Klappfahrrad. Mit dem bin ich immer zur Schule gefahren und habe es dann auch mit zum Studium nach Dresden genommen. Später sind wir mit unseren Kindern auch viel Rad gefahren. Ich fahre jeden Tag zur Arbeit. Das hilft auch fit zu bleiben und frisch anzukommen. Da hat man sich schon etwas bewegt, wenn man auf Arbeit ankommt. Das ist ein Grund.
Ich habe aber auch gemerkt, dass für die Fahrradfahrer viel zu wenig getan wird. Das führte dann auch dazu, dass ich mich mit den Anliegen des ADFC etwas mehr beschäftigte. Und dann habe ich in Bautzen auch bemerkt, dass nicht viel für Radfahrer passiert und dass die Infrastruktur nicht wirklich ausreichend ist. Da bot es sich natürlich an, im ADFC mitzumachen, der Stadt auf die Füße zu treten und etwas zu bewirken.
Was macht der ADFC Bautzen?
Wir versuchen uns in die Verkehrspolitik einzumischen. Was heißt versuchen? Wir machen es! Das ging schon 2013 los, als wir den Kontakt zur Stadt gesucht haben und die ersten Treffen stattgefunden haben, sowohl in der Stadtverwaltung als auch draußen auf der Straße. Das hat auch viele Erfolge gebracht. Außerdem bringen wir die Leute aus der Stadt zum Fahrradfahren. Wir machen viele Touren und das Angebot wird immer mehr angenommen. Und das freut mich, dass das die Leute gern annehmen, dass immer mehr Leute zum Treffpunkt kommen und wir dann gemeinsam unterwegs sind.
Du leitest viele Touren. Gab es ein besonderes Ereignis, an das Du Dich erinnerst? Oder eine außergewöhnlich schöne Tour?
Ich höre öfter „Ina, wenn Du die Tour leitest, dann lohnt es sich ganz besonders.“ Das freut mich natürlich sehr. Weil ich beruflich viel in Ostsachsen rumkomme, kenne ich viele schöne Flecken in der Umgebung und arbeite dann eine Tour dazu aus.
Ich mache gern längere und anspruchsvollere Touren. Eine tolle Tour führt zum Beispiel zu den drei Spreequellen. Die ist aber auch schon etwas bergig und 80 Kilometer lang. Die Radfahrer, die mitkamen, denen hat es auch immer gefallen. Auch die Schlössertour ist sehr schön. Es gibt hier viele Schlösser und Gutsherrenhäuser und ich habe eine Route im Norden von Bautzen zusammengestellt, bei der wir diese Schlösser abfahren. In diesem Jahr musste die Tour aber leider wegen Starkregen ausfallen.
Irgendwann habe ich auch angefangen, im Sommer immer mittwochs kleine Feierabendtouren zu machen. In den ersten drei Jahren sind nicht viele Leute gekommen. Da habe ich dann gesagt: „Okay, ein Jahr mache ich das noch, ich biete das nochmal an.“ Und Du wirst es nicht glauben: Auf einmal kamen viele Leute. Ich dachte, ich spinne! Und seitdem war der Knoten geplatzt und die Leute komme jedes Jahr. Und die Touren sind ja immer um Bautzen, so 20 bis 30 km lang, dann kannst Du ja auch nicht weit fahren. Und die Leute sagen oft „Wir kennen uns ja hier aus, aber in dieser Ecke sind wir auch noch nicht langgefahren.“ Und jetzt stehen die Leute jedes Jahr am Treffpunkt und wollen fahren. Eine Frau bringt auch immer ihren Sohn mit. Das hat sich gewendet. Darüber freue ich mich total.
Wie ist das Verhältnis zu Eurer Stadtverwaltung?
Die Stadtverwaltung akzeptiert uns und bezieht uns auch mit in Straßenbauprojekte ein. Die Stadt weiß, dass es den ADFC gibt und dass wir auch gern unseren Senf dazugeben möchten. Die Stadt zieht da mit und plant auch fahrradfreundlich. Das, was neu gebaut wird, ist inzwischen richtig gut. Nur, was im Bestand ist, lässt zu wünschen übrig.
Welche Fortschritte gibt es in der Stadt? Welche Erfolge?
Bautzen ist eine Stadt mit sehr vielen Einbahnstraßen. Diese vielen Einbahnstraßen waren ein großes Hindernis für die Flüssigkeit des Radverkehrs. Die Leute sind da teilweise natürlich trotzdem langgefahren oder haben sich auf dem Fußweg langgeschlichen, um riesige Umwege zu vermeiden. Mit der Stadtverwaltung, dem Ordnungsamt und der Polizei haben wir viele Einbahnstraßen für Radfahrer freigeben können. Das hat wirklich gut geklappt. Mittlerweile ist das auch gut in den Alltag übergegangen und wird von den Radfahrern angenommen. Am Anfang haben viele Radfahrer gesagt „Ich bin doch nicht lebensmüde und fahre hier entgegen der Einbahnstraße.“ Aber mittlerweile werden die Einbahnstraßenregelungen angenommen, sowohl von Autofahrern als auch von Radfahrern.
Außerdem ist die Straße vor den Gymnasien am Stadtwall in Bautzen fahrradfreundlich umgebaut worden, und an einem entscheidenden Knotenpunkt ist eine wichtige Fahrradampel dazugekommen. Die Radfahrer haben hier viel eher grün, bevor die Autos losfahren dürfen. Ich finde das genial, ich fahre dort nach Möglichkeit immer lang, weil man wirklich zügig durchkommt. Du kannst nach links abbiegen, geradeaus fahren, ohne dass man mit Autos in Konflikt kommt. Das ist wirklich gelungen.
Aber es gibt auch viele Planungen, die sich über viele Jahren ziehen. Da gibt es viele Stellen, an denen die Straßen schlecht sind und man nicht gut Fahrrad fahren kann. Oder an Baustellen wird der Radfahrer oft nicht berücksichtigt. Wenn man es anspricht, wird es meistens beim nächsten Mal auch berücksichtigt.
In der Verwaltung ist das Thema Radfahren angekommen. Auch der Oberbürgermeister Ahrens hat einen Anteil daran, dass es mit berücksichtigt wird.
Die Poolnudel-Aktion des ADFC Bautzen im Juni 2019 sorgte für überregionales Aufsehen. War das für Euch ein Novum?
Das war schon neu. Es waren nicht nur ADFC-Mitglieder, die dabei waren. Da es generell viele Fahrradfahrer nervt, dass sie knapp von Autos überholt werden, war es wie ein Aufschrei. Viele Leute haben gesagt, bei der Aktion machen wir mit. Plötzlich standen da 30 Leute, obwohl wir nicht viel Werbung gemacht hatten. Und dann sind sie in Gruppen auf der Route gefahren, die wir ausgearbeitet hatten. Das war eine Route, bei der es keinen Radweg oder Radstreifen gibt. Die Aktion fand an einem Samstagvormittag statt und war wirklich gelungen. Das konnten wir auch ohne großen Aufwand machen. Wir mussten nur ein paar Poolnudeln besorgen, die Zeitung informieren und die Route erarbeiten. Das lief super!
Was wünschst Du Dir für die nächsten Jahre im ADFC? Und gibt es Sorgen, die Du Dir machst?
Gerade in diesem Jahr ist es schwierig, etwas auf die Beine zu stellen, weil man sich ja gerade nur sehr schwer treffen oder organisieren kann. Seit dem Sommer haben wir Aktive uns deshalb nicht mehr treffen können. In Bautzen sind ohnehin nicht sehr Viele im ADFC aktiv. Die Meisten sind berufstätig und haben Familien. Da findet sich manchmal niemand, der eine Aktion organisieren kann. Andere ADFC-Mitglieder wollen oder können sich nicht einbringen. Es gibt aber immer mal wieder neue Leute, die sich engagieren. Ich wünsche mir, dass mehr Leute Mitglied im ADFC werden und bei uns mitmachen.
Und ich hoffe, dass der Kontakt mit der Stadt erhalten bleibt, dass wir auf Augenhöhe miteinander sprechen können und dass wir noch ein bisschen was voranbringen. Ich hoffe, dass das Fahrradfahren in der Stadt angenehmer, einfacher und vor allem sicherer wird. Ich bin sehr gespannt, was beim diesjährigen Fahrradklima-Test rauskommt.
Das Gespräch führte Janek Mücksch.