Seit drei Jahrzehnten steigt rund um den Globus die Zahl der SUV (Sports Utility Vehicles) im Straßenverkehr. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Neuzulassungen seit Jahren: 2020 machten SUV über ein Fünftel aller neu zugelassenen Pkw aus.
Die wachsende Zahl der Stadtgeländewagen steht besonders wegen ihrer Größe und ihres höheren Kraftstoffverbrauchs in der Kritik. Welche Rolle spielen SUV in Bezug auf die Sicherheit im Straßenverkehr? Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat sich dieser Fragestellung nun gewidmet. Mit erstaunlichen Ergebnissen.
Nach einem schweren Autounfall im September 2019 in Berlin, bei dem ein Mann mit einem Geländewagen vier Menschen tötete, forderten u.a. der Grünen-Politiker Oliver Krischer und die Deutsche Umwelthilfe eine Obergrenze für SUV in Innenstädten. Nun hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) eine Studie zum Verkehrsverhalten von SUV fahrenden Personen und der von diesen Fahrzeugen ausgehenden Gefahr vorgelegt. Die Fragestellungen orientieren sich an der Befragung „Verkehrsklima in Deutschland 2020“ (UDV), sodass die Ergebnisse der SUV-Fahrenden mit allen befragten Pkw-Fahrenden vergleichbar sind.
Die große Fahrzeugkarosserie, eine bessere Übersicht über den Verkehr und der leichtere Einstieg ins Fahrzeug durch die erhöhte Bodenfreiheit: das sind, laut den Befragten, die häufigsten Gründe, einen SUV zu kaufen. Dementsprechend sicher fühlen sich die Befragten auch in ihrem Stadtgeländewagen. Rund 69% der SUV-Insassen gaben an, sich im Straßenverkehr sehr sicher zu fühlen. Dagegen bejahten in der Verkehrsklima-Befragung lediglich rund 16% der Personen, die einen Pkw fahren, diese Aussage.
Zu aggressivem Verhalten im Straßenverkehr zählen beispielsweise: Gas geben, während man überholt wird, sich die Vorfahrt erzwingen und Lichthupe oder Blinker einsetzen, um auf der Autobahn zu zeigen, dass man überholen möchte. All diese Verhaltensweisen lehnen SUV-Fahrende insgesamt eher ab. Sie stimmten jedoch allen aggressiven Handlungen häufiger zu als die Pkw-Fahrenden der Befragung „Verkehrsklima in Deutschland 2020“.
SUV- Insassen fühlen sich zu Recht deutlich sicherer: Während laut UDV die Häufigkeit von Unfällen mit SUV-Beteiligung in Deutschland nicht wesentlich von denen der Gesamtheit aller Pkw abweicht, werden deutlich weniger SUV-Insassen getötet oder schwer verletzt als Insassen in gegnerischen Personenwagen. Mit Hilfe einer Sonderauswertung beim Statistischen Bundesamt konnte die UDV Zusammenstöße zwischen SUV und Pkw betrachten. Aus den Unfallzahlen von 2008 kommen auf 1 getöteten SUV-Insassen 4 Pkw-Insassen. Betrachtet man schwer verletzte Fahrzeug-Insassen, beträgt das Verhältnis bei Zusammenstößen zwischen SUV und Pkw 1 zu 2,3.
SUV können besonders ungeschützte Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger und Radfahrer, gefährden. Die breitere Karosserie erschwert es, ausreichenden Sicherheitsabstand zum Radverkehr zu halten. Und vor allem Kinder werden aufgrund der Bodenfreiheit leichter übersehen als mit normalen Pkw. Kommt es zu einem Zusammenstoß, prallen Becken und Köpfe der Kinder gegen die vordere Haubenkante - mit entsprechend fatalen Folgen.
SUV können aufgrund ihrer größeren Masse, ihres Aufbaus und der hohen Fahrzeugfront für Verkehrsteilnehmende gefährlicher sein als andere Pkw, weshalb das Verkehrsverhalten eine wesentliche Rolle spielt. Wie die Studie des UDV zeigt, führt das höhere Sicherheitsgefühl der SUV-Insassen oft zu nachlässigerem oder aggressiverem Verhalten. Kommt es zu einem Unfall, sind die SUV-Fahrer besser geschützt – die Unfallgegner dafür meist umso stärker verletzt. Dieser Effekt ist unter dem Begriff Risikokompensation nicht nur aus dem Straßenverkehr, sondern z.B. auch aus der Arbeitspsychologie und dem Finanzwesen bekannt. SUV unterstützen durch die größere suggerierte Sicherheit ein riskanteres Verhalten ihrer Fahrer. Mit fatalen Folgen insbesondere für ungeschützte Verkehrsteilnehmer um sie herum.
Hintergrund: Die UDV befragte im Dezember 2020 rund 14.000 Personen, knapp 2.000 von ihnen gaben an, in den letzten 24 Monaten einen SUV gekauft zu haben. Den Teilnehmenden wurden Fragen zu soziodemographischen Merkmalen, ihren Gründen für den SUV Kauf, ihrem Sicherheitsempfinden, dem Telefonieren beim Fahren und aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr gestellt.
Studie der UDV zum Verkehrsverhalten von SUV-Fahrerinnnen und Fahrern