Unsere Nachbarn zeigen sich erneut als Vorreiter in Sachen Verkehrssicherheit
Schon lange sind die Niederlande für ihre Initiativen zur Verkehrsberuhigung bekannt. 1983 bekamen die niederländischen Städte die Erlaubnis, Zonen und Strecken mit einer Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h zu beschränken. In einem weiteren Schritt wurden zwischen 1985 und 1997 circa 10-15% der Straßen in Wohngebieten zu Tempo-30-Zonen umgewandelt. 2008 galt bereits 75% des gesamten niederländischen Wohnstraßennetzes die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Seither soll die Geschwindigkeit vielerorts im Rahmen des “Sustainable Safety” Programms auch durch bauliche Maßnahmen reguliert werden. In Amsterdam sind beispielsweise 90% der Straßen mit der Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ausgeschildert.
Nun gehen die Niederländer einen weiteren Schritt: Das Parlament hat nun beschlossen, dass die Dreißigerregelung nicht mehr eine extra anzuordnende Ausnahme, sondern die Regelgeschwinidigkeit innerhalb von Gemeinden und Städten sein soll.
Ziel des Beschlusses ist es, die Anzahl der Verkehrsunfälle und die Anzahl Getöteter im Straßenverkehr, sowie die Lärmemissionen zu verringern. Eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h wird im Einzelfall weiterhin möglich sein, wenn begründet werden kann, dass die Verkehrssicherheit davon nicht negativ beeinflusst wird.
In Deutschland befindet sich diese Diskussion noch an einem ganz anderen Punkt. Das Ortseingangsschild markiert bei uns seit vielen Jahrzehnten eine Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h. Doch zahlreiche Verkehrssicherheitsexperten fordern, auch hierzulande die Regelgeschwindigkeit innerhalb von Ortschaften von 50 auf 30 km/h zu setzen. Während sich Union, FDP und Akteure wie der ADAC gegen eine solche Regelung aussprechen, plädieren SPD, Die Grünen und auch der ADFC für eine geringere Regelgeschwindigkeit. Denn eine solche Geschwindigkeitsregulierung kann auch dazu beitragen, die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer zu verbessern. Auch die stärkere Sicherheit zu Fuß, auf dem Rad oder im Auto und eine reduzierte Anzahl an Verkehrsunfällen sind Gründe, die Regelung aus den fünfziger Jahren zu überprüfen.
Als Reaktion auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen äußerte sich die Bundesregierung dennoch ablehnend zur Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. Ohne eine erheblich über die normale Gefahrenlage im Straßenverkehr hinausgehende Situation hält die Regierung ein flächendeckende Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 innerorts für nicht erforderlich und im Hinblick auf die Verkehrsfunktion der Straße auch nicht sinnvoll. Durch die derzeitige Rechtslage könne vor allem der Wirtschaftsverkehr und der öffentliche Personennahverkehr profitieren, da der Bau eines Vorfahrtstraßennetzes rechtlich begünstigt wird.
Wie sich die Regelgeschwindigkeit von Tempo 30 in Städten auswirkt, zeigen bereits heute die skandinavischen Städte Oslo und Helsinki. Hier hat man die Geschwindigkeitssenkung bereits als Instrument für einen sichereren Stadtverkehr genutzt. 2019 starb in diesen Städten kein Fußgänger oder Radfahrer mehr auf der Straße. 140 Länder unterzeichneten Anfang 2020 die Stockholmer Erklärung, die aus der dritten globalen Ministerkonferenz zur Verkehrssicherheit resultierte und die Einführung von Geschwindigkeitsbegrenzungen befürwortet.
Weiterführende Quellen
Bundestag: Regierung gegen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts
30 km/h als Regelgeschwindigkeit innerorts – Welche Wirkungen hätte eine Änderung?
Stockholmer Erklärung - aktive Mobilitätsformen sollen gestärkt werden