Mindestüberholabstand gilt immer - egal ob Radfahr-, Schutz- oder gar kein Streifen
Mit der seit April geltenden Neuerung der StVO sind die Mindestüberholabstände von 1,50 m innerorts und 2 m außerorts jetzt nicht nur durch Gerichtsurteile festgeschrieben, sondern fester Bestandteil der Straßenverkehrsordnung geworden.
Was viele nicht wissen: Der Überholabstand muss nicht nur bei Überholvorgängen in der selben Spur beachtet werden, sondern gilt auch, wenn man mit dem Auto einen Radfahrer überholt, der auf einem Schutzstreifen oder Radfahrstreifen fährt. Auch wenn der weiße Streifen links des markierten Radwegs vom Autositz aus vielleicht als ausreichende Barriere zwischen Außenspiegel und Lenkerende erscheinen mag: Überholmanöver mit weniger als 1,50 m Abstand sind auch dort nicht zulässig, wo der Radverkehr im Bereich der Fahrbahn auf markierten Wegen geführt wird.
Dass auch Radfahrer, die auf solchen markierten Radverkehrsführungen fahren, ohne Ausnahme mit einem solchen Mindestabstand überholt werden müssen, hatte schon vor kurzem die Unfallforschung der Versicherer (UDV) in einem Rechtsgutachten festgestellt. Doch das Gutachten war nicht unumstritten und wurde insbesondere von weniger ambitionierten Planungsbehörden schlichtweg abgelehnt und beiseite geschoben. Denn wenn der obligatorische Mindestabstand auch für Schutz- und Radfahrstreifen gilt, so hat das weitreichende Auswirkungen auf die Grundlagen der Verkehrsplanung und die Aufteilung der Verkehrsflächen. Dem Radverkehr muss - wohl oder übel - mehr Platz im Straßenraum eingeräumt werden.
Gesetzesbegründung bestätigt obligatorischen Überholabstand
Mit der Veröffentlichung der StVO-Novelle hat das BMVI die Ansicht des UDV-Gutachtens in vollem Umfang bestätigt. Auch für markierte Radverkehrsführungen wie Radfahrstreifen und Schutzstreifen gilt für motorisierten Verkehr der Mindestüberholabstand von 1,50 m. Die Gesetzesbegründung der StVO-Änderung (S. 90) lässt hier keinen Spielraum mehr für Interpretationen: "Nach Sinn und Zweck der Vorschrift kann nichts anderes [als der vorgeschriebene Seitenabstand] für Radfahrstreifen gelten; auch dann nicht, wenn diese den Radverkehr und den übrigen Fahrverkehr durch bauliche Vorrichtungen voneinander trennen (sog. Protected Bike Lanes)."
Protected Bike Lanes
Damit der nötige Seitenabstand ernst genommen wird, sollten aus ADFC-Sicht viel häufiger von vornherein sogenannte geschützte Radfahrstreifen angelegt werden. Diese Protected Bike Lanes (das Konzept stammt aus den USA) weisen optische oder besser noch durch Poller markierte bauliche Sperrflächen zwischen Radfahrstreifen und den Autospuren aus. Das klappt auch sehr gut bei der Umwidmung von Fahrspuren zu temporären Radstreifen, die unter dem Eindruck der Pandemie gerade in mehreren Städte effektiv mehr Platz für Menschen schaffen. Wo dies durch eine zu geringe Fahrbahnbreite nicht umsetzbar ist, helfen allerdings nur vermehrte polizeiliche Kontrollen, die wir als ADFC schon länger fordern. Das in diesem Zusammenhang oft vorgebrachte Argument dass es dafür keine geeignete Messtechnik gäbe, widerlegen private Initiativen wie das Berliner Radmesser-Projekt oder Abstand Messen Köln schon eine Weile.